Schöne neue Zukunft - So könnten Innovationen uns retten
Können wir mit Innovationen die Welt retten? Das fragte Marie-Luise Abshagen im letzten Rundbrief. Dieser Artikel möchte das Thema aufgreifen und die Diskussion erweitern. Wichtig sind nämlich vor allem Innovationen, die unseren Umgang mit der Umwelt und mit sozialen Problemen betreffen. Aber gerade diese sind oft komplex und schwierig umzusetzen. Neue Ansätze und Instrumente in den Bereichen Innovationsplanung, Projektfinanzierung, Erfolgsmessung und Kooperation helfen, diese Herausforderungen zu überwinden.
‚Probleme kann man niemals mit demselben Denken lösen, durch das sie entstanden sind.‘ (Einstein).
Das gilt nicht nur fürs Denken, sondern auch für die Handlungsweisen und die technischen Lösungen, die aus diesem Denken entstehen.
Neues Denken, Handeln und Technologien sind also gefragt, um die Probleme zu lösen, die uns das alte Denken eingebrockt hat. Genau das ist Innovation.
Wir leben in einer Zeit großer Umbrüche und es steht viel auf dem Spiel. Die Welt erwärmt sich, der Meeresspiegel steigt, die Auswirkungen des Klimawandels werden schneller und stärker spürbar als bisher angenommen und soziale Ungleichheiten sind so groß wie nie zuvor. Es ist eine globale Krise ohne Platz für parteiische Rhetorik, die Lösungen in jedem Maßstab und in jeder Branche erfordert.
Bei der Suche nach Lösungen haben wir uns bisher in erster Linie auf neue Technologien und deren ökonomische Nutzung fokussiert. Wir müssen aber auch soziale und gesellschaftliche Gewohnheiten und Paradigmen hinterfragen und erneuern. Gerade in diesen Bereichen gibt es viel Innovationspotential, das bisher kaum ausgeschöpft wurde.
Was für Innovationen brauchen wir?
Die Herausforderungen unserer Zeit sind vielfältig und eindimensionale Lösungen werden ihnen selten gerecht. Obwohl wir auf technologische Innovationen sicher nicht verzichten können, sind es vor allem soziale, gesellschaftliche und ökologische Veränderungen und Neuerungen, sie maßgeblich zu einem Wandel beitragen.
Bildung von Mädchen und die Einbindung von Frauen in wirtschaftliche Wertschöpfungsprozesse beeinflussen Bevölkerungswachstum oder die Nutzung von natürlichen Rohstoffen. Die Reduzierung von Lebensmittelabfällen oder neue Recyclingpraktiken helfen vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen. Und landwirtschaftliche Methoden, die Regenerierung, Naturschutz und sensible Forstwirtschaft in den Mittelpunkt stellen sind für den Schutz von Umwelt und Biodiversität unverzichtbar. (1)
Warum werden nicht genügend gute Ideen und Forschungsergebnisse auch zu wirklichen Innovationen?
Probleme und Herausforderungen, die wir mit neuem Denken und Handeln angehen müssen, haben wir also genug. Auch an Think Tanks, Ideen und Lösungsansätzen, mangelt es nicht,. Man schaue sich nur die vielen Publikationen, Bücher und Forschungsarbeiten zum Thema an. Warum ist es dann so schwierig, diese Ideen auch wirksam in die Praxis umzusetzen? In einem Forschungsprojekt zu Innovationen für nachhaltige Landwirtschaft wurde dieser Frage nachgegangen. (2)
So stehen sie zum Beispiel öfter als andere Innovationen in Konflikt mit existierenden (Infra)Strukturen, Geschäftsmodellen oder Verhaltensmustern. Denken wir nur an Autos, die Strom tanken müssen anstelle von Benzin oder an Mülltrennung und -vermeidung. Die Verbreitung solcher Innovationen könnte blockiert werden bis sich entsprechende neue Strukturen und Paradigmen gebildet und durchgesetzt haben.
Mit Nachhaltigkeitsinnovationen werden neben monetären auch ökologische und soziale Ziele verfolgt. Dies kann dazu führen, dass es länger dauert bis diese Ziele erreicht sind und dass deren Erfolgsmessung komplex ist. Beides ist mitunter mit konventionellen Finanzierungsmethoden nicht vereinbar.
Auch ist für die Realisierung von grünen Innovationen Teamarbeit besonders wichtig. Nicht nur innerhalb einer Organisation, sondern auch mit vielen externen Partnern und Stakeholdern. Diese müssen identifiziert, interessiert, begeistert und eingebunden werden. Das stellt besondere Herausforderungen an Transparenz, Kommunikations- und Koordinationsfähigkeit.
Wie können diese Schwierigkeiten überwunden werden?
Zunächst müssen wir der Komplexität von Nachhaltigkeitsinnovationen Rechnung tragen und nicht mit Macht versuchen, diese in lineare und technokratische Veränderungsmodelle zu pressen. Es ist wichtig, ökologische, soziale und ökonomische Aspekte als Einheit zu sehen. Die Gepflogenheit, das eine Element der Wirtschaft und die anderen dem Ehrenamt zu überlassen ist nicht mehr zeitgemäß.
Um ein Problem langfristig lösen zu können, muss man es verstehen. Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sind die zugrundeliegenden Ursachen oft komplex und nicht direkt erkennbar. Deshalb bedarf es einer sorgfältigen Analyse der ökologischen oder sozialen Hintergründe, die das Problem verursachen. The Methode der ‚Theory of Change‘ ist hier hilfreich und wichtig. Es geht dabei um den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. So werden Hypothesen dazu aufgestellt welche Interventionen zu den gewünschten langfristigen Veränderungen führen werden und wie man deren Wirksamkeit messen kann. Eine regelmäßige Überprüfung und eventuelle Revision der Annahmen, die in der ‚Theory of Change‘ festgeschrieben wurden, sind dabei besonders wichtig.
Jeder Innovationsprozess erfordert finanzielle Mittel. Für Nachhaltigkeitsinnovationen ist wichtig, dass die Finanzierungsquellen die sozialen und ökologischen Ziele und Interessen des Projekts mittragen sollten. Die klassischen Instrumente der Innovationsförderung und -finanzierung sind hier nicht immer ausreichend und neue Instrumente bilden sich gerade erst heraus. Hierzu gehören Impact Investing, Crowdfunding, Matching Funds und Hebelfinanzierung. Auch von erfolgreichen Finanzierungsmodellen aus anderen Ländern, wie z.B. Social Impact Bonds, Social Impact Incentives, Social Success Notes kann man lernen. (3)
Auch ist es wichtig, so viele Stakeholder wie möglich am Innovationsprozess zu beteiligen. Dies sichert, dass vielseitige Interessen und Sichtweisen von Anfang an berücksichtigt werden und dass Lösungen durch Immersion und Verhaltenstraining gemeinsam umgesetzt und auf der Basis von Erfahrungsaustausch und Feedback Loops direkt verbessert und angepasst werden. Hier kann man auf Ansätze, wie Open Innovation und Innovationsplattformen zugreifen.
Was können wir tun?
Innovativ zu denken kann man lernen und üben. Wir können Neues ausprobieren und ein Umfeld schaffen, in dem Experimentierfreudigkeit positiv bewertet und eventuelles Nichtgelingen nicht als Scheitern oder Versagen interpretiert wird. Hierzu können wir einen Beitrag leisten, indem wir mit gutem Beispiel vorangehen, neue Wege des Zusammenlebens und des gemeinsamen Handelns ausprobieren, gewohnte Strukturen und Paradigmen nicht blind akzeptieren und die Wirksamkeit unserer angestrebten Lösungen immer wieder hinterfragen.
Und was kann die Politik dazu beitragen?
Um die gegenwärtigen Herausforderungen zu meistern brauchen wir eine Innovationsoffensive. Wir benötigen ein Umfeld in dem Innovationen entstehen, heranwachsen und sich der Realität stellen können, und zwar nicht nur für technologische, sondern auch für soziale, gesellschaftliche und umweltbezogene Innovationen.
Tools, die aus der Gründerförderung bekannt sind, wie z.B. Inkubatoren und andere Förderprogramme sollten auch für soziale und Nachhaltigkeitsinnovation zur Verfügung gestellt werden, so dass auch Anreize für ‚gestandene‘ Organisationen geschaffen werden, Innovationen mit weniger Risiko ‚auszuprobieren‘.
Die oben angesprochenen Finanzierungsinstrumente können durch staatliche Förderung und Steuermechanismen wirksamer gemacht werden. Konventionelle Innovationen ignorieren externe Effekte oft und überlassen deren Behebung dann dem Staat (z.B. Gesundheit oder die Verschmutzung von Luft und Wasser). Nachhaltigkeitsinnovationen adressieren oft genau diese Effekte und tragen damit zur Lösung von Problemen bei, die derzeit dem Staat obliegen. Dies muss bei Finanzinstrumenten berücksichtigt werden.
Auch ist es wichtig, dass existierende Lösungen transparent und sichtbar sind, so dass wir voneinander lernen können. Dialog- und Innovationsforen, mehr Zusammenarbeit zwischen den Interessengruppen und thematische Konferenzen sind hier nützliche Ansätze.
Der Bedarf für innovative Lösungen ist groß. Nur sollte der Innovationsbegriff über die reine Technologie hinaus definiert werden. Zur Zeit wird die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen zu sehr der Wirtschaft überlassen und das Umfeld ist nicht immer förderlich für die Umsetzung von neun gesellschaftlichen und ökologischen Lösungen. Es sind jedoch viele Methoden und Ansätze bekannt und auch international erprobt von denen wir lernen können und wie wir die auch hierzulande fördern können.
Katja Nordwig
Die Autorin ist Gründerin und Direktorin von GrInno, einer Agentur für Grüne Innovationen
(1) Paul Hawken (2017) Drawdown
(2) Katja Nordwig (2015) The South African Agricultural Innovation System – Stakeholders, Structure and Process
(3) http://www.send-ev.de/uploads/SEND_Positionspapier_Bund.pdf
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